MICHAL SOLARSKI & TOMASZ LIBOSKA

Past Perfect

In einer Serie fotografischer Inszenierungen, Erinnerungs-Faksimiles, die an Originalschauplätzen entstanden, spüren Solarski und Liboska Dingen nach, die unwiderruflich verloren scheinen: die Intensität jugendlichen Erlebens, die anheimelnde Tristesse des ehemaligen Ostblocks und die glühende Erwartung einer besseren Zukunft.

Gezeigt werden drei Bildzyklen der polnischen Fotografen Michal Solarski und Tomasz Liboska: die kollaborative Arbeit Cut It Short sowie die Einzelarbeiten Hungarian Sea (Solarski) und Melody No 7 (Liboska).

Cut It Short
Der geografische Ort Goleszow und der gemeinsame Erinnerungsraum der Fotografen Solarski und Liboska überlagern und verdichten sich zum Ausgangs- und Akkumulationspunkt einer poetischen fotografischen Erzählung. Beide Künstler wuchsen in der ländlich gelegenen Kleinstadt an der Südspitze Polens auf. Als Freunde durchlebten sie die Wirren der Pubertät zeitgleich zum politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks.
Als Erwachsene trennten sich ihre Wege: Solarski studierte in London Dokumentarfotografie, Liboska kreative Fotografie in Opava in der Tschechischen Republik. Trotz der großen räumlichen Entfernung blieben beide in engen Kontakt und kommunizierten über viele Jahre beinahe täglich miteinander. Dieser intensive Austausch bildete die Grundlage für das gemeinsame Fotoprojekt Cut It Short.
Zusammen mit zwei Laienmodels, den Teenagern Dominik und Marek, kehrten sie in ihren Heimatort zurück, um die Erlebnisse ihrer Jugendzeit an Originalschauplätzen zu rekonstruieren. Der Titel Cut It Short spielt dabei auf die polnische Tradition des “Postrzyzyny“ an, dem Scheren der Haare als Aufnahmeritual in die an strengen Gehorsam gebundene Welt der Männer.
Entstanden sind eindringliche Bilder von zarter Intensität, die das Niemandsland zwischen Jugend- und Erwachsenenalter kartographieren und von Freundschaft und Vergänglichkeit erzählen.

Hungarian Sea
Mit dieser Arbeit spürt Solarski einer weiteren Kindheitserinnerung nach: den unbeschwerten Sommerferien, die er mit seiner Familie in den 1970er Jahren am Balaton in Ungarn verbrachte. Als er zwanzig Jahre später entdeckte, dass nur ein einziger Schnappschuss aus diesen Urlauben existierte, machte er sich erneut auf den Weg ins Paradies seiner Kindheit.
Die Perspektive der Bilder, die auf dieser Reise entstanden sind, scheint permanent zwischen dem naiv-stauenenden Blick des Jungen und dem abgeklärt-melancholischen des inzwischen weltgewandten Mannes zu changieren. Solarski zeigt den Balaton als konkretes Urlaubsziel mit abgeblätterten sozialistischem Charme. Gleichzeitig wird das “Ungarische Meer“ zum symbolischen Wunschort, an dem der auch zu Zeiten des Kapitalismus immer noch aktuelle Mythos der verdienten Auszeit von den Zwängen des Alltags sich immer wieder für kurze Momente verwirklicht.

Melody No 7
Solarskis heiterer Rückblende setzt Liboska die intensive Beschäftigung mit einem schwer zu bewältigenden Abschnitt seiner Kindheit und Jugend entgegen: dem einsamen Tod seines Vaters, der die Familie bereits Jahre zuvor verlassen hatte. Titelgebender Ausgangspunkt dieser bewegenden Fotoserie ist eine Uhr, die sein Vater ihm im Alter von sieben Jahren schenkte und die sieben Melodien spielen konnte. Nun selbst Vater eines Sohnes, versucht Liboska die Ereignisse zu rekonstruieren, die erst zur Entfremdung von seinem Vater und schließlich zu dessen Tod führten.
Einer Montage aus eindringlichen, dunklen Bildern, Naturaufnahmen, Selbstporträts und historischen Originalfotos, stellt Liboska dem Autopsiebericht seines Vaters gegenüber – als einzig konkret greifbares Dokument eines Ablebens, dass im Nebel der Vergangenheit zu verschwinden droht und dessen Auswirkungen doch bis in die Gegenwart spürbar bleiben.